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Flut und Ebbe entstehen durch die Anziehungskräfte von Mond und Sonne und äußern sich in wechselnder Meereshöhe sowie Strömungen, wobei die Unterschiede mehrere Meter betragen können. Für die Schifffahrt sind diese Gezeiten besonders in Küstennähe wichtig und lassen sich aufgrund bekannter Himmelsbahnen vorausberechnen. Der weltweit größte Gezeitenrechner wurde 1935 von Heinrich Rauschelbach entworfen und 1939 fertiggestellt. Er war bis 1968 in Hamburg im Einsatz, bevor er 1976 ins Deutsche Museum kam.

Was sind Gezeiten?

Gezeiten sind das periodische Steigen (Flut) und Fallen (Ebbe) des Meeresspiegels, verursacht durch die kombinierten Gravitationskräfte von Mond und Sonne sowie durch Fliehkräfte aus dem gemeinsamen Umlauf von Erde und Mond um ihren Schwerpunkt. Der Mond hat den größten Einfluss, weil er der Erde am nächsten ist. Sein leicht variierender Abstand auf der elliptischen Umlaufbahn führt zu messbaren Veränderungen der Gezeiten.

Gezeiten treten an allen Küsten der Erde auf, unterscheiden sich jedoch stark im Tidenhub (Höhenunterschied zwischen Ebbe und Flut. Er gibt an, wie stark der Meeresspiegel an einem Ort steigt und fällt.) – von wenigen Zentimetern an der finnischen Ostseeküste bis zu 21 Metern in der kanadischen Bay of Fundy. Gezeiten zeigen sich nicht nur im Wechsel der Wasserstände, sondern auch in horizontalen Strömungen, deren Stärke von den örtlichen Küsten- und Bodenformen abhängt. In einem idealen, gleichmäßig mit Wasser bedeckten Erdkörper ließen sich die Gezeitenkräfte anhand der Erkenntnissen von Isaac Newton (1642–1727) und Pierre-Simon Laplace (1749–1827) vollständig berechnen. Je nach Küstenform, Wassertiefe und Lage unterscheiden sich Stärke und Verlauf der Gezeiten weltweit deutlich. Daher gibt es zwar eine allgemeine astronomische Beschreibung, jedoch keine allgemeine Formel, die alle ortsabhängigen Einflüsse berücksichtigen kann. Die Gezeiten des Meeres zählen deshalb zu den komplexesten Phänomenen der Geophysik.

Die Gezeitenrechenmaschine

1935 beauftragte das Oberkommando der Kriegsmarine die Entwicklung einer neuen Gezeitenrechenmaschine bei der Deutschen Seewarte in Hamburg und der Firma Mechanoptik bei Potsdam für 195.000 Reichsmark. Der bis dahin eingesetzte deutsche Rechner aus dem Jahr 1916 lieferte nicht die erforderliche Genauigkeit. Angesichts eines möglichen Krieges war für die Kriegsmarine jedoch eine technisch moderne und präzise Maschine unerlässlich, da verlässliche Gezeitendaten – insbesondere an Küsten mit starkem Tidenhub – militärisch von großer Bedeutung waren.

Video zum Gezeitenrechner

Wie funktioniert die Berechnung der Gezeiten?

Carola Dahlke, Kuratorin für Informatik und Kryptologie am Deutschen Museum, erklärt den Gezeitenrechner, die weltgrößte analoge "Vorhersagemaschine" für Ebbe und Flut.

Gezeitenforscher Heinrich Rauschelbach

1935 begann der Astronom und Gezeitenforscher Heinrich Rauschelbach (1888–1978) mit der Entwicklung einer neuen Gezeitenrechenmaschine. Unter seiner Leitung entstand ein 7,5 Meter langer und 2 Meter hoher Gezeitenrechner mit 62 Partialtiden. Davon erfasste die Hälfte astronomische Tiden, darunter die halbtägige Hauptmond- und Hauptsonnentide, während die übrigen Seichtwassertiden berücksichtigten, die in flachen Küstenregionen großen Einfluss auf die Gesamtgezeiten haben. Die 62 Tidengetriebe waren in vier Reihen angeordnet. Die ortsabhängigen Gezeitenkonstanten (Phase und Amplitude) wurden für jede Tide über Mikrometerschrauben an Vorder- und Rückseite der Maschine eingestellt. Während die Vorderseite die Gezeiten aufsummierte, berechnete die Rückseite durch eine Phasenverschiebung von 90° deren erste Ableitung. So ließen sich die Zeitpunkte von Ebbe und Flut schnell bestimmen.

An beiden Enden des langen Tidenkastens befand sich jeweils ein Schrank. Einer enthielt den Elektromotor, im anderen waren das Druckwerk und die Papierrolle zur Aufzeichnung der Gezeitenkurve untergebracht. Zur Berechnung der Gezeiten eines Hafens mussten alle 62 Tidengetriebe ortsabhängig eingestellt werden, was etwa zwei Stunden dauerte. Nach rund 20 Stunden Rechenzeit erhielt man ein Papierstreifen mit der mechanisch aufgezeichneten Gezeitenkurve, ihrer Ableitung sowie gedruckten Daten mit den exakten Zeitpunkten von Ebbe und Flut und den zu erwartenden Wasserständen für ein ganzes Jahr.

Gezeitenrechenmaschine – Kennzahlen

  • Maße (H × B × T): 200 × 750 × 110 cm
  • Masse: 7 t
  • Partialtiden: 62
  • Berechnungsdauer für 1 Jahr: 20 Std.

Der Gezeitenrechner kommt zurück auf die Museumsinsel:

Mehr zum Thema Gezeiten in unserer Online-Sammlung

Gezeitenrechenmaschine

Von: Mechanoptik Gesellschaft für Präzisionstechnik m.b.H, Aude & Reipert; Rauschelbach, Heinrich

Datierung: 1935 - 1939

Modell Gezeitenturbine Hammerfest

Von: -

Datierung: 2010 - 2012

Die Gezeiten, ihre Folge- und Gefolge-Erscheinungen

Von: Schmick, Jakob Heinrich

Datierung: 1876

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