Völlig losgelöst im "Supra-Gleiter"
Im Verkehrszentrum des Deutschen Museums kann man jetzt über ein Stück Magnetbahn schweben – und eine Technik von morgen erleben.
Auf den ersten Blick wirkt die Demonstrationsanlage im Verkehrszentrum des Deutschen Museums unspektakulär – aber es ist eine revolutionäre Technik mit Zukunft, die man dort ausprobieren kann: eine Magnetschwebebahn auf der Basis der Hochtemperatur-Supraleitung. Wir haben sie getestet – im Beisein des Mannes, der mit seiner Nobelpreis-gekrönten Entdeckung diese Technik überhaupt erst alltagstauglich gemacht hat.
„Ein erhebendes Gefühl“, entfährt es Georg Bednorz, Nobelpreisträger für Physik, als er zum ersten Mal im Supra-Gleiter schwebt. Bednorz ist sozusagen einer der Initiatoren der Demonstration, die die Besucherinnen und Besucher des Verkehrszentrums buchstäblich zum Schweben bringt. Der „Supra-Gleiter“ ist zwar nur auf einer kurzen Strecke mit sehr überschaubarer Geschwindigkeit unterwegs – aber es geht ja um die Demonstration des Prinzips. Eines sehr wichtigen Prinzips.
Bednorz hatte 1987 zusammen mit Karl Alexander Müller den Nobelpreis bekommen – für die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung in keramischen Materialien. Bis dahin trat das Phänomen Supraleitung, bei dem der elektrische Widerstand in Metallen plötzlich verschwindet, nur auf, wenn sie fast den absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius gekühlt wurden. Bei der Supraleitung in keramischen Materialien ist Kühlung zwar immer noch notwendig, aber mit geringem Aufwand kann man heute in supraleitenden Kabeln Strom bei minus 200 Grad Celsius nahezu verlustfrei transportieren. „In die Kühlung muss man nur einen Bruchteil der Energie stecken, die sonst in Kabeln durch den Widerstand verloren geht“, erklärt der Nobelpreisträger.
Eine weitere Eigenschaft des Supraleiters, die auf der Wechselwirkung mit einem Magnetfeld beruht, findet auch bei dem Supra-Gleiter Anwendung, der über eine Schiene aus Permanentmagneten fährt. Das Fahrzeug wird getragen von vier Kryostaten (Kühlgeräten), in denen sich Blöcke aus Supraleiter-Keramik befinden. Im warmen Zustand dringt das Magnetfeld der Schiene in den Supraleiter ein. Wenn die Kryostaten im gewissen Abstand zur Schiene dann auf rund minus 200 Grad Celsius gekühlt werden, wird das Magnetfeld der Schiene im Supraleiter quasi eingefroren.
Der Supraleiter „merkt“ sich die Position zum Magneten, die er vor dem Kühlen eingenommen hat, und behält sie bei. Er kann dann über einem Schienenstrang aus Permanentmagneten schweben. Um das Fahrzeug in der Schwebe zu halten, wird hier praktisch nur Energie für die Kühlung verbraucht. Gerade mal ein Kilowatt brauche man, wenn man eine Last von einer Tonne zum Schweben bringen wolle, erklärt Bednorz. Und um den Demonstrator in Fahrt zu bringen, braucht es keinen Antrieb, sondern nur einen kleinen Impuls – und dann könnte das Fahrzeug endlos weiterfahren, wenn es keinen Luftwiderstand gäbe.
In Japan – und neuerdings auch in China – gibt es bereits Prototypen einer neuen Magnetschwebebahn, die auf Supraleitertechnik basiert. Der japanische „SCMaglev“ mit supraleitenden Magneten soll von 2027 an auf der Strecke von Tokio nach Nagoya fahren.
Sind bei der Supraleiter-Magnetschwebebahn Geschwindigkeiten jenseits der 600 km/h möglich, geht es beim Supra-Gleiter im Verkehrszentrum ganz gemächlich dahin: Im Rahmen von Vorführungen versetzen Mitarbeiter des Museums dem Schlitten, der zwei Passagiere aufnehmen kann, einen leichten Schubs – und der Schlitten gleitet dann sanft auf der kurzen Strecke hin und wieder zurück. Das Schweben spürt man – kein Rollwiderstand, keine Bodenunebenheiten.
Ob man mit diesem hier demonstrierten Prinzip auch größere Distanzen in Deutschland in rasender Geschwindigkeit zurücklegen kann? Da ist der Nobelpreisträger selbst skeptisch. Bednorz: „Innerstädtische Strecken, mit moderaten Geschwindigkeiten zum Beispiel hier in München, kann ich mir schon vorstellen. Für längere Strecken ist allein die Verfügbarkeit der Seltenen Erden, die das Material für die Permanentmagnete sind, das größte Problem.“
Generaldirektor Wolfgang M. Heckl ist jedenfalls stolz, die Anlage im Verkehrszentrum zu haben: „Das ist eine revolutionäre Technik, basierend auf einer Entdeckung, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Hier im Verkehrszentrum können Besucherinnen und Besucher erleben, wie aus einer Entdeckung eine neue Technologie entsteht, die das Zeug hat, unsere Mobilität zu verändern. Genau so stelle ich mir Wissensvermittlung in einem Wissenschafts- und Technikmuseum vor.“
Erleben kann man diese revolutionäre Technik im Verkehrszentrum ganz am Ende der Halle 1, im Rahmen der täglichen Führungen. Und Georg Bednorz hat recht: Es ist ein erhebendes Gefühl.
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Völlig losgelöst im Verkehrszentrum: Physik-Nobelpreisträger Georg Bednorz (li.) und Generaldirektor Wolfgang M. Heckl genießen das "erhebende Gefühl" im Supra-Gleiter. Die Demonstrationsanlage mit dem Schlitten, der mithilfe von supraleitenden Materialien über einer Schiene schwebt, befindet sich am Ende der Halle I.
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Foto: Deutsches Museum