Direkt zum Seiteninhalt springen

Beeindruckendes Beispiel der Technikgeschichte: Ein komplettes System der Eisenbahn, aber ...ohne Dampflok! Baader hatte andere Antriebsideen...

Die Eröffnung der Bahn von Nürnberg nach Fürth im Dezember 1835 gilt allgemein als der Beginn der bayerischen Eisenbahngeschichte. Doch gingen diesem viel beachteten Ereignis fast zwei Jahrzehnte kontroverser Diskussionen voraus, in deren Mittelpunkt meist der Ingenieur Joseph von Baader stand.

Baader war 1763 in München als Sohn des kurfürstlichen Leibarztes Franz Joseph Baader geboren worden und studierte zuerst Medizin in Ingolstadt, Wien und Göttingen. Im Verlaufe zweier längerer Aufenthalte in Großbritannien in den Jahren 1786 bis 1794 wandte er sich aber dann dem Ingenieurwesen zu. Nach seiner Rückkehr wurde er bereits 1796 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und mit der Leitung des Maschinen- und Bergbaues in Bayern betraut. Baader sollte zu einer Vielzahl ganz unterschiedlicher technischer Themen arbeiten und publizieren. Eine seiner großen technischen Leistungen ist die Erweiterung und Modernisierung der Soleleitung von Bad Reichenhall nach Traunstein. Große Aufmerksamkeit fand aber vor allem sein 1808 fertiggestelltes Pumpwerk für den Betrieb der damals größten Fontäne Europas im Nymphenburger Schlosspark. Diese Anlage wird noch heute genutzt und gilt als die vermutlich älteste, noch in Betrieb befindliche Maschine weltweit. Um diese Zeit begann auch Baaders Auseinandersetzung mit Fragen des Eisenbahnwesens, zu dem er bis zu seinem Tod im November 1835, nur wenige Wochen vor Eröffnung der Nürnberg-Fürther Eisenbahn, eine größere Zahl von Publikationen veröffentlichen sollte.

Bereits 1817 publizierte Baader im Münchner Verlag Fleischmann ein schmales Bändchen im Oktavformat mit dem Titel „Ueber ein neues System der fortschaffenden Mechanik als Programm eines über diesen Gegenstand nächstens zu erscheinenden großen Werkes“, in dem er bereits die Grundideen für sein Eisenbahnsystem entwickelte.

Dieses ankündigte Buch veröffentlichte Baader fünf Jahre später unter dem Titel „Neues System der fortschaffenden Mechanik oder vollständige Beschreibung neuerfundener Eisenbahnen und Wagen“ im Selbstverlag.

Dieses Hauptwerk Baaders ist aufwendig gestaltet und besteht aus einem auf bläulichem Papier gedruckten Textband und einem Tafelband. Das Titelblatt des Textbandes ließ Baader von Johann Michael Mettenleitner (1765–1853) als Lithografie ausführen. Die 16 Illustrationen des Tafelbandes wurden dagegen als Kupferstiche nach Entwürfen des Autors ausgeführt. Dass er sich nicht für den Holzstich oder die Lithografie als modernere und billigere Illustrationsverfahren entschied, sondern den traditionellen, mit großem Arbeitsaufwand verbundenen Kupferstich vorzog, war sicherlich nicht unüberlegt. Mit der möglichst prachtvollen Gestaltung seines Buchs suchte Baader, die in ihrem künstlerischen Geschmack wohl eher traditionell orientierten, politischen Eliten für sein Vorhaben zu gewinnen.

Bei einem so aufwendig gestalteten und damit kostspieligen Werk musste Baader sich vor dem Druck über die Absatzmöglichkeiten im Klaren sein. Der bekannte Techniker hat deshalb seine Verbindungen für die Bewerbung seines Buches zu nutzen versucht. Erfolgreich war er beim russischen Zaren Alexander I., der 100 Exemplare pränumerierte, das heißt schon vor dem Erscheinen bezahlt hat. Neben diesem konnte Baader allerdings nur weitere 26 Käufer gewinnen. Damit war lediglich der Verkauf von weiteren 59 Exemplaren sichergestellt, davon gingen allein 20 an Bayerns König Ludwig I. Der Buchhandel hat sich offensichtlich von der Publikation keine großen Absatzmöglichkeiten versprochen und deshalb nur 14 Exemplare bestellt. Letzteres zeigt die noch recht beschränkte Aufmerksamkeit, die das Thema Eisenbahn in der breiteren Öffentlichkeit fand.

Baader stellte in seinem Werk eine Pferdebahn vor, wie sie in vergleichbarer Form häufiger in Europa im 19. Jahrhundert gebaut wurde. Die mit 130 km wohl längste derartige Anlage verband seit 1832 das oberösterreichische Linz mit dem böhmischen Budweis (České Budějovice). Vorteile erwartete sich Baader vor allem von der Verbindung des herkömmlichen Straßenverkehrs mit Schienenwegen. Dafür entwarf er spezielle Wagen, die für Straße wie Schiene gleichermaßen geeignet sein sollten. Durch die Verminderung der Reibung erhoffte sich Baader auf den Eisenbahnen eine wesentliche Erleichterung des Gütertransports. Der Gedanke, die Dampfkraft für den Betrieb der Bahnen zu nutzen, war auf dem Kontinent noch kaum verbreitet. Auch Baader sah keine Dampflokomotiven vor, doch wollte er zum Ziehen der Wagen teilweise stationäre Dampfmaschinen einsetzen. Auf gebirgigen Streckenabschnitten sollten spezielle Bergwinden die Pferde ersetzen oder auch die Wasserkraft als Antriebsmöglichkeit genutzt werden.

Allen Bemühungen zum Trotz gelang es Baader jedoch nicht, den bayerischen König Ludwig I. oder ausländische Regierungen von seinem Pferdebahnsystem zu überzeugen. Sein 1822 veröffentlichtes Werk hat die von Baader erhoffte Wirkung ebenso wenig erreicht wie die von ihm 1825/26 im Nymphenburger Schlosspark aufgebaute, rund 250 m lange Modellanlage.

Literatur:

Deutinger, Stephan: Joseph von Baader und die Frühzeit der Eisenbahn in Bayern – 1800 bis 1835; St. Ottilien 1997. Zum Katalogeintrag

Der Artikel erschien zuerst in "Kultur+Technik", der Zeitschrift des Deutschen Museums, Heft 03/2010.