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Das Theatrum Orbis Terrarum (auf Deutsch etwa "Schauplatz des Erdkreises") des flämischen Geographen und Kartographen ist, wenn es auch noch nicht diesen Namen trägt, der erste Atlas.

Es ist für uns selbstverständlich, dass wir uns mit Hilfe klassischer Atlanten oder des Internets in kürzester Zeit über die geographische Lage eines Ortes informieren können. Dieses Wissen aber wurde erst seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts langsam breiteren Kreisen zugänglich. Die Entstehung der ersten gebundenen Kartenwerke, die seit 1595 als Atlanten bezeichnet werden, ging von flämischen und holländischen Kartographen aus. Menschen in der frühen Neuzeit waren von diesen Werken ähnlich fasziniert, wie uns Heutige Google Maps begeistert. Doch im Gegensatz zu heute war der Zugang zu den Kartenwerken wenigen Privilegierten – reichen Kaufleuten und Politikern – vorbehalten. Die horrenden Preise schränkten die Verbreitung dieser Drucke noch ein, doch der Weg für eine allgemeine Zugänglichkeit zum geographischen Wissen war damit unumkehrbar eingeschlagen.  

Den Anfang dieser Entwicklung bildet das Kartenwerk des Abraham Ortelius (1527-1598), das Theatrum Orbis Terrarum, das auch in der Bibliothek des Deutschen Museums zu den prachtvollsten Bänden zählt. Dieses Werk des flämischen Geographen und Kartographen ist, wenn es auch noch nicht diesen Namen trägt, der erste Atlas. Bis dahin existierten Karten für einzelne Gebiete, die – vor allem Seekarten – oft streng geheim gehalten wurden, da deren Besitz für Kaufleute und Militärs von entscheidender Bedeutung sein konnte.

Abraham Ortelius verbrachte sein gesamtes Leben in Antwerpen; die nach Manier des Humanismus latinisierte Form seines Familiennamens Ortels verwandte er seit den 1540er Jahren. Schon damals war Antwerpen eine der bedeutendsten Handelsstädte Europas, deren Kaufleute vor allem für den Fern- und Überseehandel die neuesten Karten benötigten. Ortelius lernte in seiner Jugend Griechisch sowie Latein und befasste sich auch eingehend mit Mathematik. Bereits im Alter von zwanzig Jahren arbeitete er als Kolorist von Landkarten und wandte sich schließlich dem Karten- und Buchhandel zu. Reisen in zahlreiche Länder Europas nutzte er zum Sammeln von Karten. Die besten von ihnen sollten später Eingang in das Theatrum Orbis Terrarum finden, das Ortelius seit den 1560er Jahren zusammenstellte. 

Das erstmals 1570 erschienene Werk stellte die Kenntnisse der besten Geographen der Zeit zu Beginn des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung. Zur Entstehungszeit dieses Werks lag Kolumbus’ Entdeckung Amerikas oder die erste Weltumseglung durch Magellan noch nicht allzu weit in der Vergangenheit. Auch den Gebildeten waren diese Gebiete ebenso wie viele europäische Länder noch kaum vertraut. Die ersten fünf Karten des Theatrum Orbis Terrarum zeigen die damals bekannte Welt und die Kontinente Amerika, Asien, Afrika und Europa. Vor allem die Südhalbkugel war noch weitgehend unbekannt, Australien noch nicht entdeckt. Das Schwergewicht legte Ortelius mit 56 Karten naturgemäß auf die europäischen Länder, wobei er Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande besonders berücksichtigte. Gegen Ende des Werks finden sich 10 Karten zu Asien und Afrika, dabei handelt es sich vor allem um Karten des Osmanischen Reichs, der heutigen Türkei. Im Geschmack der Zeit ließ Ortelius die Karten mit mythologischen Darstellungen und der Abbildung von nautischen Geräten oder Schiffen verzieren. Den 53 Blättern mit ihren insgesamt 69 Karten stellte Ortelius jeweils eine kurze lateinische Einleitung voran, die das dargestellte Gebiet kurz beschreibt.

Ortelius’ Verdienst ist es, dass er das von 87 Kartographen erarbeitete Material sammelte und zusammenstellte, dieses dann – Voraussetzung für einen gebundenen Atlas – in ein einheitliches Format bringen ließ und schließlich in seinem Theatrum Orbis Terrarum veröffentlichte. Doch schmückte sich Ortelius dabei keineswegs mit fremden Federn, seinem Kartenwerk stellte er eine genaue Liste der verwandten Karten und deren Autoren voran. Heute selbstverständlich, war dies in einer Zeit der Raubdrucke noch völlig unüblich.

Das Werk hatte unmittelbar großen Erfolg, da es die besten Karten seiner Zeit in höchster Qualität enthielt. Die meisten Karten wurden von einem der berühmtesten Kupferstecher der Zeit, Frans Hogenberg (1535-1590), in Kupfer gestochen. Bis 1612 sollten 42 Ausgaben dieses Werks in sieben Sprachen erscheinen, die mit dem Anwachsen der geographischen Kenntnisse immer wieder um neue Karten erweitert wurden. Auch die im Besitz der Bibliothek des Deutschen Museums befindlichen Ausgaben spiegeln dies wider. Während die 1571 erschienene Ausgabe noch keine zusätzlichen Blätter enthält, waren in der 1579 publizierten Ausgabe bereits 38 weitere, insgesamt also 91, enthalten.

Literatur:

  • Kupčík, Ivan: Alte Landkarten. Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – ein Handbuch zur Geschichte der Kartographie. Stuttgart 2011. Zum Katalogeintrag
  • Schneider, Ute: Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2004. Zum Katalogeintrag

Der Artikel erschien zuerst gedruckt in "Kultur+Technik", der Zeitschrift des Deutschen Museums, Heft 04/2008.