Direkt zum Seiteninhalt springen

Die Kulturgeschichte des Parfüms – erzählt von einem Meister-Parfümeur.

Mit Patrick Süskinds „Das Parfum“ gelangte das Thema der Duftstoffe und des menschlichen Geruchs in die Belletristik. Großen Erfolg mit diesem Sujet hatte aber bereits 1865 Eugène Rimmel mit „The Book of Perfumes“, das heute zu den Klassikern der Kulturgeschichte zählt. Das Werk ist 1865 in London beim Verlagshaus Chapman and Hall erschienen, 1870 folgte die Übersetzung ins Französische. Im Zuge von Süskinds Erfolg wurde es in Deutschland, Frankreich und Großbritannien neu aufgelegt.

Der Autor dieses Buchs, Eugène Rimmel (1820–1887), war der Sohn eines international bedeutenden französischen Parfümeurs. Die Firma Rimmel stellte seit 1834 in London Parfums her, später kamen Filialbetriebe in Neuilly bei Paris, Nizza und Liège hinzu. Eugène Rimmel, der im väterlichen Betrieb seine Ausbildung erhielt, führte dieses Unternehmen äußerst erfolgreich fort und erhielt eine große Zahl internationaler Auszeichnungen. Zu Beginn der 1860er-Jahre verwandte er übrigens als erster den Eukalyptus für Parfums. Die noch heute existierende Firma Rimmel gehört zu den traditionsreichsten Kosmetikunternehmen weltweit.

Eugène Rimmel zählt aber auch zu den Protagonisten des aufblühenden Ausstellungswesens: Bei den Weltausstellungen in London 1851 und 1862 sowie in Paris 1867 gestaltete er die stark wachsenden Ausstellungen zu Parfums wesentlich mit. Mit der Förderung Jules Chérets (1836–1932), der Produkte aus dem Hause Rimmel gestaltete, hat Eugène Rimmel die Entstehung der modernen Plakatkunst entscheidend unterstützt. Chéret verwendete früh die farbige Lithographie, seine Werbeplakate – etwa für die Folies-Bergère in Paris – wurden weltberühmt (siehe auch Beitrag von Otto Krätz).

„The Book of Perfumes“ ist das Ergebnis jahrzehntelanger historischer Arbeit, doch verfolgte der Autor zweifelsohne damit auch Marketingziele: mit seiner Darstellung verlieh Rimmel dem Parfum die Aura eines traditionsreichen Kulturguts, dies sollte den schwächelnden Absatz fördern. Das gut 250 Seiten umfassende „The Book of Perfumes“ behandelt nach einer knappen Einführung in die Thematik in lebendiger Erzählung die weltweite Geschichte der nicht selten auch für medizinische Zwecke angewandten Duftstoffe. Vom Alten Orient ausgehend, schildert Rimmel Herstellung und Verwendung von Parfums bei den Griechen und Römern ebenso wie in Ostasien und bei den Naturvölkern. Abgerundet wird die Darstellung durch einen Blick auf die Moderne und die kommerzielle Nutzung von Pflanzen und tierischen Duftstoffen.

Dass ein derartiges Werk im zweiten Drittel des vorletzten Jahrhunderts erschien, ist kein Zufall: Das Erscheinungsdatum markiert einerseits das Ende der im 18. und frühen 19. Jahrhundert stattfindenden Auseinandersetzung über die Natur und chemische Zusammensetzung der Luft und die potentiellen medizinischen und hygienischen Gefahren, die von schlecht riechenden Gasen ausgingen. Andererseits begann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Aufstieg der Riechstoffindustrie, die nicht nur natürliche, sondern erstmals in der Geschichte auch synthetisch hergestellte Duftstoffe zu Parfums verarbeitete.

Die Bibliothek des Deutschen Museums ist eine der wenigen Bibliotheken, die die englische Originalausgabe wie auch die französische Übersetzung besitzen. Die beiden Ausgaben enthalten zahlreiche, illustrative Holzsschnitte, die überwiegend für Rimmels Buch angefertigt wurden. Die französische Übersetzung enthält daneben zahlreiche Farbabbildungen, Beispiele aus dem Frühwerk Jules Chérets.

Rimmels Buch ist ein Musterbeispiel für den reichhaltigen Bestand an selteneren, kulturhistorischen Publikationen, den die Bibliothek des Deutschen Museums besitzt und der dort nicht sofort vermutet wird. Hervorragend spiegelt sich die neuere Geschichte der Kosmetika übrigens auch in der fast lückenlosen Sammlung von Weltausstellungskatalogen wieder.