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Die Umwege eines verkannten Entdecker-Genies und was es mit der Papierchromatografie auf sich hat.

Das geflügelte Wort vom verkannten Genie trifft wohl nur selten so sehr zu wie im Falle Friedlieb Ferdinand Runges (1795–1867). Mit seinen Entdeckungen war er der Entwicklung oft viele Jahrzehnte voraus, doch hatte er nicht die Möglichkeit, sie zu verwerten. Runge wandte sich nach seinem Medizinstudium der Chemie zu und lehrte bereits mit 33 Jahren an der Universität Breslau. Doch war die Arbeit als Professor schlecht bezahlt und so ging Runge in die Industrie.

Er hat als erster die für die Entwicklung der chemischen Industrie so wichtigen Teerfarbstoffe gewonnen. Doch wurde die Bedeutung dieser Entdeckung durch die Leitung der „Chemischen Produkten-Fabrik zu Oranienburg“, bei der Runge als Chemiker arbeitete, nicht erkannt. Deshalb unterblieb deren wirtschaftliche Verwertung ebenso wie bei dem von Runge entwickelten Kunstdünger. Wären die Entscheidungen weitsichtiger gewesen, würde Runge heute als der Begründer der Teerfarben- und Kunstdüngerherstellung gelten.

Runge war auch einer der Wegbereiter der Papierchromatographie, einer chemischen Analysemethode. Runge brachte auf ein Stück Filterpapier eine Lösung auf und ließ diese anschließend trocknen. Danach brachte er auf dieses Stück eine andere Lösung auf. Dabei bildeten sich aufgrund der chemischen Reaktionen typische Ringmuster. Runge nutzte auf diese Weise als erster die Trenneigenschaften von Papier, die im 20. Jahrhundert als Papierchromatographie eine wichtige chemische Analysemethode werden sollte. Die Arbeiten des russischen Botanikers Michail S. Cvet sowie der britischen Chemiker Archer J. P. Martin und Richard L. M. Synge verhalfen im 20. Jahrhundert der Papierchromatographie zum Durchbruch.

Runges Werke „Zur Farbenchemie – Musterbilder für Freunde des Schönen und zum Gebrauch für Zeichner, Maler, Verzierer und Zeugdrucker“ (1850) und „Der Bildungstrieb der Stoffe veranschaulicht in selbstständig gewachsenen Bildern“ (1855) enthalten zahlreiche, die verschiedenartigsten Reaktionen veranschaulichende Bilder. Jedes dieser Bilder wurde von Runge eigenhändig hergestellt, entsprechend gering war die Zahl der Exemplare. Nachdem Runge 1852 die „Chemische Produkten-Fabrik zu Oranienburg“ verlassen musste, beschäftigte er sich vorrangig mit diesem Phänomen. Bei der Herstellung der Bilder halfen dem als kauzig geltenden Gelehrten Oranienburger Schulkinder. Vielleicht hat diese Hilfe ihn dazu veranlasst, in seinem letzten Lebensjahrzehnt vor allem populärwissenschaftliche Schriften zu publizieren.

Literatur:

Niedobitek, Christa und Fred Niedobitek: Friedlieb Ferdinand Runge – sein Leben, sein Werk und die Chemische Produkten-Fabrik in Oranienburg. Lage 2011. Zum Katalogeintrag