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Borelli eröffnete mit seinem Werk einen ganz neuen Blick auf den Körper und ist ein Vorläufer der modernen Biophysik.

Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679), ein ungewöhnlich vielseitiger Naturforscher der Frühneuzeit, unterrichtete an den Universitäten in Messina und Pisa Philosophie und Mathematik. An beiden Universitäten machte er sich ebenso wie in wissenschaftlichen Gesellschaften als bedeutender Experimentator und Forscher einen Namen. Mit seinen Publikationen leistete der Neapolitaner zur Astronomie und Mechanik ebenso wie zur Biologie und Medizin wichtige Beiträge. Er ist ein bedeutender Vertreter der Iatrophysik, die biologische Vorgänge mit physikalischen Gesetzen zu erklären versuchte.

Für die Biologie und die Medizin wurde das erstmals 1680/81 erschienene, zweibändige Werk „De motu animalium“ von großer Bedeutung. Das Buch ist das Ergebnis der von Borelli seit 1656 in seinem medizinischen Labor in Pisa durchgeführten Untersuchungen. In diesem für die weitere Entwicklung vor allem der Anatomie grundlegenden Werk wies Borelli nach, dass in lebenden Körpern die von Galilei entwickelten mechanischen Naturgesetze ebenso gelten wie in der unbelebten Natur. Der Mensch wurde ebenso wie die Tiere von Borelli als Arbeit leistende Skelett-Muskel-Maschine aufgefasst, damit erklärte er die Herzbewegung ebenso wie das Laufen. Dies stellte eine vollkommen neue, mechanistische Sicht auf den Körper als „Maschine“ dar. Der erste Band von „De motu animalium“ befasst sich mit den durch die Muskeln ausgelösten Bewegungen, der zweite Band mit deren Funktionsweise. Borellis Forschungen beschäftigten sich also mit den Grenzgebieten zwischen Biologie beziehungsweise Medizin und Physik. Mit „De motu animalium“ wurde Borelli zu einem der frühen Vorläufer der modernen Biophysik.

Die Erstauflage erschien neun Monate nach Borellis Tod in Rom bei Angeli Bernabo. Die zweite, an der Bibliothek des Deutschen Museums vorhandene Auflage kam 1685 bei Cornelis Boutesteyn in Leiden heraus. Weitere Ausgaben von „De motu animalium“ folgten 1710, 1734 und 1743; 1706 erschien es unter dem Titel „Von der wundersamen Macht der Muskuln“ auch in deutscher Übersetzung. Boutesteyn, ein bedeutender Wissenschaftsverleger des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, brachte 1686 mit Antoni van Leeuwenhoeks (1632–1723) „Ontledingen en ontdekkingen van de onsigtbare verborgentheden“, in dem er die Entdeckung von Kleinlebewesen beschreibt, ein weiteres für die Biologie und Medizin wichtiges Werk auf den Markt.

Literatur:

Gribbin, John: Science. A history, 1543–2001. London 2003, S. 144-145.

Der Artikel erschien zuerst gedruckt in "Kultur+Technik", der Zeitschrift des Deutschen Museums, Heft 02/2004