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Dass der Kölner Dom nach Jahrhunderten als Torso im 19. Jahrhundert seine heutige überragende Gestalt annehmen konnte, ist ganz wesentlich treibenden Kräften wie Boisserée zu verdanken.

Die einer reichen Kölner Kaufmannsfamilie entstammenden Brüder Sulpiz Boisserée (1783–1854) und Melchior Boisserée (1786–1851) zählen zu den bedeutendsten Kunstsammlern des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam setzten sie sich für die Erhaltung niederrheinischer Kunstwerke, für gotische Architektur und altdeutsche Malerei ein. Sie bauten eine bedeutende Sammlung altdeutscher Malerei auf, die 1827 von Ludwig I. für die Alte Pinakothek in München erworben wurde.

Besonders am Herzen lag Sulpiz Boisserée der Kölner Dom, dessen Vollendung er schon früh anstrebte. Der Dombau war in der Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen worden, jedoch wurden die Arbeiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts eingestellt. Fertig waren bis dahin der Chor, der daran anschließende Teil des Langhauses und ein Teil des Südturms. Über viele Jahrhunderte gehörte der unfertige Dom zur Silhouette der Rheinmetropole. 1816 entdeckte Sulpiz Boisserée einen Teil des mittelalterlichen Fassadenplans in Paris, nachdem schon 1814 ein Teil davon in Darmstadt gefunden worden war. Diese Entdeckungen und die Mittelalterbegeisterung der Romantiker lenkten die allgemeine Aufmerksamkeit auf den unvollendet gebliebenen Dom. Sulpiz Boisserée und der Publizist Joseph Görres (1776–1848) waren die treibenden Kräfte für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten, die schließlich 1842 erfolgte. 1880 sollte die Kathedrale, die damit zu wesentlichen Teilen ein Werk der Neugotik ist, vollendet werden.

Dass es Boisserée und Görres gelang, Öffentlichkeit und Regierung von diesem Vorhaben zu überzeugen und die Finanzierung sicherzustellen, ist vor allem dem 1821 bis 1823 von Sulpiz Boisserée in fünf Lieferungen veröffentlichten Werk „Ansichten, Risse und einzelne Theile des Doms von Köln“ zu verdanken. Über viele Jahre arbeitete Boisserée an der genauen Bauaufnahme der Kathedrale und erforschte ihre Baugeschichte. Johann Wolfgang von Goethe, mit dem Sulpiz Boisserée über viele Jahre freundschaftlich verbunden war, begleitete das Projekt mit regem Interesse.

Die kunstvollen, über viele Jahre entstandenen Illustrationen führen dem Betrachter das Gebäude eindrücklich vor Augen. Die Zeichnungen fertigten die bekanntesten Architekturzeichner Deutschlands an. So schuf Karl Friedrich Schinkel, zu dieser Zeit Preußens führender Architekt, die Zeichnung für die Titelvignette. Mit der Fertigung der Kupferstiche beauftragte Boisserée die besten Stecher. Auf diese Weise entstanden insgesamt 18 Tafeln, von denen zwei handkoloriert wurden. Mit 107 x 74,5 cm zählt das sogenannte „Domwerk“ zu den größten, jemals in Deutschland gedruckten Büchern. Die Gestaltung des Textbandes war Aufgabe von Firmin Didot (1764–1836), Spross der berühmtesten französischen Drucker-Dynastie. Darin stellt Boisserée die Geschichte des Gebäudes dar, erläutert die Illustrationen und liefert eine Beschreibung des Doms. Erschienen ist das Prachtwerk im Verlag von Johann Friedrich Cotta, der als Verleger Schillers und Goethes größtes Ansehen genoss.

Literatur

Bisky, Jans: Poesie der Baukunst – Architekturästhetik von Winckelmann bis Boisserée, Weimar 2000. Zum Katalogeintrag