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Bélidors Werk ist eines der frühesten Ingenieurhandbücher, die theoretische Erkenntnisse für eine praktische bauliche Umsetzung aufbereiten.

Die „Architecture hydraulique“ von Bernard Forest de Bélidor (1697–1761) zählt zu den erfolgreichsten technischen Publikationen des 18. Jahrhunderts. Das Werk, erstmals 1737 bis 1753 im Pariser Verlag Jombert veröffentlicht, kam zuletzt 1819 in einer Neuauflage auf den Markt. Bekannte Wissenschaftler – darunter Charles Augustin de Coulomb und Claude Navier – wurden von Bélidors Buch zu ihren eigenen Untersuchungen angeregt.

Bélidor lenkte durch seine Teilnahme an der von Jacques Cassini geleiteten Meridianvermessung erstmals die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf sich. In den 1720er- und 1730er-Jahren unterrichtete er dann Mathematik an der neu gegründeten französischen Artillerieschule in La Fère in der Picardie. Während des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748) aktiven Militärdienst leistend, hielt er sich auch längere Zeit in Bayern auf. Nach 1748 übte Bélidor, inzwischen Mitglied der Akademien in Paris, London und Berlin, bis zu seinem Lebensende verschiedene Funktionen in der Militärverwaltung aus.

Veröffentlichungen zur Artillerie, zum Festungsbauwesen und insbesondere seine Mathematiklehrbücher machten Bélidor in Fachkreisen weit bekannt. International viel beachtet wurde aber vor allem seine „Architecture hydraulique“, ein zweibändiges Werk über den Mühlen- und Wasserbau.

Es ist eines der ersten Beispiele eines ingenieurwissenschaftlichen Handbuchs. Bélidor legt darin die Ergebnisse seiner eigenen Forschungen ebenso dar wie die Arbeitsergebnisse seiner Fachkollegen. Von Galileis Arbeiten zur Mechanik ausgehend, hatten sich besonders Forscher in Italien und Frankreich eingehend mit theoretischen Fragen der Hydraulik befasst.

Widmeten sich seine Vorgänger überwiegend der Theorie, so etwa Forschungen zur Fließgeschwindigkeit des Wassers, ging Bélidor vor allem auf technische Probleme des Mühlen- und Wasserbaus ein. Die Besonderheit der „Architecture hydraulique“ liegt nicht zuletzt in den Abbildungen der verschiedenartigsten Mühlenkonstruktionen, die von hoher Genauigkeit sind. Bélidors Ziel war es, „alle Mittel hierfür zu suchen, vermöge deren sie ihre rechte Vollkommenheit erreichen mögen“.

Die „Architecture hydraulique“ umfasst zwei Bände, wobei Bélidor nach dem Geschmack der Zeit auch auf Themengebiete – etwa den Dampfmaschinenbau – zu sprechen kommt, die man in diesem Werk kaum vermuten würde. Zu Beginn erläutert er die für den Mühlen- und Wasserbau relevanten Gebiete der Physik. Daran schließen sich die Darlegungen zum Bau von Wasser- und Windmühlen und ihre diversen Einsatzmöglichkeiten an. Der Autor stellt die verschiedensten Typen von Wasserrädern vor, die in ihrer Konstruktion jeweils den örtlichen Bedingungen angepasst sind. Neben der Nutzung von fließenden Gewässern behandelte er auch den Bau von Gezeitenmühlen. Die Windmühlen werden zusammen mit den Wasserpumpen betrachtet, was naheliegend war, da jene vor allem auch für Entwässerungsaufgaben gebaut wurden. Die von Bélidor vorgestellten Mühlenkonstruktionen stammen nicht nur aus Frankreich, sondern es finden sich darunter auch Beispiele aus Deutschland und Großbritannien. Dem Mühlenbau ist der Hauptteil des Werkes gewidmet, darüber hinaus wird in den weiteren Kapiteln auf die Möglichkeiten des Wasserhebens und den Schleusenbau eingegangen.

Das Werk enthält über 200 hervorragende Kupferstichillustrationen eines unbekannten Künstlers. Die Längs- und Querschnitte wie die Seitenansichten der dargestellten technischen Objekte zeigen deutlich das hohe Niveau, das Konstruktionszeichnungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits aufwiesen. Mühlen- und Wasserbauer konnten und sollten ausgehend von diesen Stichen in der Lage sein, die vorgestellten Konstruktionen als Vorbilder für eigene Entwürfe zu verwenden.

Literatur:

Gillispie, Charles C.: Bernard Forest de Bélidor. In: Dictionary of Scientific Biography, Band 1, New York 1970, S. 581–582.   Zum Katalogeintrag