
Bild: Alexander Peterhaensel
Wählen per Gesichtserkennung: Utopie oder Albtraum?
Die KI-Wahlkabine – eine neue Erlebnisstation im Deutschen Museum Bonn provoziert unbequeme Fragen
Am 14. September stehen in NRW die Kommunalwahlen an. Überall an den Straßen buhlen unzählige Wahlplakate um Stimmen und stellen die Bürgerinnen und Bürger schon zum zweiten Mal in diesem Jahr vor die Qual der Wahl: Welche Partei vertritt meine Interessen am besten? Statt Wahlprogramme zu wälzen, könnten wir doch einer Künstlichen Intelligenz die Entscheidung übertragen, oder?
Wie einfach das sein könnte, zeigt eine neue Erlebnisstation im Deutschen Museum Bonn, dem Forum für Künstliche Intelligenz: Rein in die KI-Wahlkabine, Vorhang zu, kurz in die Kamera lächeln und schon zeigt der Bildschirm, an welche Partei die Stimme ging. Die Wahl per Gesichtserkennung dauert nicht mal eine Minute, hinterlässt aber ein mulmiges Gefühl: Sieht so die Zukunft der Demokratie aus?
»Eine der Kernfragen ist: Wie viel persönliche Freiheit bin ich bereit aufzugeben für die Bequemlichkeit?«, sagt Alexander Peterhänsel, Professor für Visual Computing an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Peterhänsel hat die Installation »Smile to Vote« zusammen mit seinem Team entwickelt, die jetzt im Deutschen Museum Bonn zu erleben ist und zum Nachdenken anregt. Die KI wurde mit frei verfügbaren Bildern von echten Politikerinnen und Politikern aus deutschen Parlamenten darauf trainiert, bestimmte Muster in der Physiognomie zu erkennen und daraus dann Rückschlüsse auf eine mögliche Parteipräferenz zu ziehen. »Wir unterstellen in diesem Experiment, dass jemand, der für eine bestimmte Partei in einem Parlament sitzt, diese Partei dann auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wählen würde«, erläutert er.
Bei seinem Projekt ginge es jedoch ausdrücklich nicht darum, ob die KI einer Person die politische Gesinnung wirklich buchstäblich von der Nasenspitze ablesen kann, sondern um die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für die möglichen Konsequenzen, betont Peterhänsel. »Wir müssen uns überlegen, wie wir mit diesen Technologien in Zukunft umgehen und wie wir sie so geschickt regulieren, dass wir einerseits den Anschluss im weltweiten Wettbewerb nicht verlieren und gleichzeitig aber unsere Kultur und Selbstbestimmung erhalten können.«
Mit dem EU AI Act wurde dem Einsatz jeglicher Technologie dieser Art in der Europäischen Union vorerst ein Riegel vorgeschoben, erläutert Ralph Burmester, Ausstellungskurator und Leiter der Mission KI im Deutschen Museum Bonn: »KI-Anwendungen zur biometrischen Identifizierung und Kategorisierung natürlicher Personen sowie zur Beeinflussung von Wahlen sind in der Europäischen KI-Verordnung als ›unannehmbares Risiko‹ eingestuft worden. Die Nutzung von Systemen wie der KI-basierten Wahlkabine ist damit in der EU ausdrücklich verboten. Wir wollen mit dieser Installation bewusst im Vorfeld der Kommunalwahl provozieren und hoffen auf angeregte Gespräche mit unseren Besucherinnen und Besuchern. Künstliche Intelligenz ist eine ambivalente Technologie. Deshalb ist es uns im Deutschen Museum Bonn wichtig, sowohl die Chancen als auch die Gefahren erlebbar zu machen. Mit der KI-Wahlkabine laden wir zum Blick in den Abgrund der Überwachung und Bevormundung ein, damit es niemals dazu kommt!«
Über das Deutsche Museum Bonn – Forum für Künstliche Intelligenz
Erleben, verstehen, mitgestalten – das ist die »Mission KI« des Deutschen Museums Bonn. Künstliche Intelligenz (KI) ist die bedeutendste Technologie unserer Zeit. Doch was steckt dahinter und was kommt damit konkret auf uns zu? Im Deutschen Museum Bonn, der einzigen Zweigstelle des weltberühmten Deutschen Museums außerhalb Bayerns, laden dynamische Erlebnisräume zum Eintauchen in die Welt der KI ein. Interaktive und unterhaltsame Exponate und Demonstrationen machen Grundlagen und aktuelle Entwicklungen der KI verständlich.