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Heimweh, Lynchmorde und spektakuläre Fluchtversuche.

Wie abgeschossene Flieger den Zweiten Weltkrieg in deutscher Kriegsgefangenschaft überlebten.

Sie wurden über Deutschland abgeschossen und kamen ins Lager: Eine Sonderausstellung in der Flugwerft Schleißheim zeigt das Leben „westalliierter Flieger in deutscher Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges“. Die Ausstellung „Privilegierte Lager?“ erzählt von Schicksalen, abenteuerlichen Fluchtversuchen – und gibt den Kriegsgefangenen ein Gesicht.

Die alliierten Luftangriffsverbände zahlten für ihre Einsätze über Deutschland im 2. Weltkrieg einen hohen Preis. Jeweils rund 80 000 Todesopfer hatten die Royal Air Force und die United States Army Air Force bis zum Kriegsende im Mai 1945 zu beklagen. Die fast 40 000 Piloten und Besatzungsmitglieder alliierter Flugzeuge, die einen Abschuss überlebt hatten, traten den Weg in die deutsche Kriegsgefangenschaft an. Die Ausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr - Flugplatz Berlin-Gatow zeigt den Weg ins Lager, den Alltag hinter Stacheldraht, aber auch die Versuche der Gefangenen, die Monotonie des Lageralltags zu bekämpfen. Und ihre glückliche Befreiung vor 70 Jahren – wie zum Beispiel im Lager Moosburg an der Isar am 29. April 1945.

Beengte Unterbringung, eintönige Verpflegung, Heimweh und Langeweile waren in der Regel die einzigen Unannehmlichkeiten, denen britische und amerikanische Gefangene ausgesetzt waren. Im Unterschied zu ihren sowjetischen Schicksalsgenossen wurde ihnen meistens eine korrekte Behandlung zuteil. Die scheinbaren Privilegien, die die westalliierten Gefangenen genossen, waren aber in Wirklichkeit nichts anderes als die üblichen, international verbrieften Rechte.

Die nationalsozialistische Propaganda bezeichnete die Angehörigen der alliierten Luftangriffsverbände ab 1944 als „Terrorflieger“ und „Luftgangster“, die keinen Anspruch auf eine korrekte Behandlung als Kriegsgefangene hätten. Als im Frühjahr 1944 die alliierten Luftangriffe einen neuen Höhepunkt erreichten, rief NS-Propagandaminister Joseph Goebbels unverhohlen zum Lynchmord an abgeschossene Flieger auf. Goebbels erklärt im Völkischen Beobachter, man könne „solche Piloten nicht mehr vor der Wut des Volkes … schützen“. In hunderten Fällen wurden die Lynchaufrufe wörtlich genommen. Im Juni 1944 wurden 15 amerikanische Soldaten, die mit ihren B-24-Bombern bei Schwerin bzw. im Müritzgebiet niedergegangen waren, „auf der Flucht“ erschossen.

Viele der Flieger versuchten aus den Lagern zu fliehen. Ein besonders spektakulärer Fluchtversuch wurde später unter dem Titel „The Great Escape (Gesprengte Ketten)“ verfilmt. Ende März 1944 entkamen 76 Offiziere der Royal Air Force durch einen 111 Meter langen Fluchttunnel aus dem Kriegsgefangenenlager in Sagan. Aber der Fluchtversuch endete tragisch: Bis auf drei wurden alle Männer wieder eingefangen, 50 wurden erschossen, acht weitere kamen ins KZ Sachsenhausen.

Und im nahezu ausbruchssicher geltenden sächsischen Schlosses Colditz planten gefangene Flieger die Flucht mit einem selbstgebauten Segelgleiter. Bevor es tatsächlich zur Flucht kam, war der Krieg vorbei – doch Versuche mit einem Nachbau des Gleiters zeigten 2012: Er wäre tatsächlich flugfähig gewesen. Ein US-amerikanischer Kaplan kam dagegen freiwillig in Kriegsgefangenenlager: M. A. Charton sprang mit dem Fallschirm über einem Lager ab, um dort seinen Dienst als katholischer Priester anzutreten.