Zerbrechliche Schönheit
Zum ersten Mal seit 1893 öffentlich zu sehen: Das Glasfaserkleid einer spanischen Prinzessin bekommt im Deutschen Museum eine kleine Sonderausstellung
Erstmals seit der „World Columbian Fair“ 1893 ist das Glasfaserkleid der Infantin Eulalia von Spanien wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Das fragile und seltene Kleidungsstück kam 1924 über die Schwester der spanischen Prinzessin, der Ehefrau von Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern in die Sammlung des Deutschen Museums. Von 2015 bis 2020 wurde es im Promotionsprojekt von Charlotte Holzer erforscht und restauriert. Jetzt ist es in einer kleinen Sonderausstellung unter dem Titel „Dresscode Glasfaser“ in der Abteilung Museumsgeschichte im Deutschen Museum zu sehen.
Das Glasfaserkleid befindet sich seit 1924 im Besitz des Deutschen Museums, „eine Stiftung von Maria de la Paz, der Ehefrau Prinz Ludwig Ferdinands von Bayern“, weiß Charlotte Holzer. Die junge Forscherin hatte im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der TU München den Auftrag, das seltene Stück zu reinigen, zu stabilisieren und ein Konzept für die Aufbewahrung auszuarbeiten. Schon im Vorfeld hatte Holzer viel über die Geschichte der speziellen Abendrobe recherchiert: „Sie wurde von der Libbey Glass Company aus Toledo, Ohio hergestellt für die Weltausstellung in Chicago 1893.“ Die Firma schenkte das Kleid damals der spanischen Infantin Eulalia, der Schwester von Maria de la Paz.
„Das Glasfaserkleid war vermutlich nie im Museum ausgestellt“, erzählt Holzer, „es wies schon starke Schäden auf als es etwa 1990 dann zur besseren Lagerung ins Bayerische Nationalmuseum gebracht wurde“. Dort stieß die Forscherin während eines Volontariats in der Textilrestaurierung auf das seltene Stück. „Das Kleid war stark verschmutzt, das Seidenfutter teils zersetzt und im Glasfasergewebe gab es zahlreiche Risse und Löcher“, sagt Charlotte Holzer. Sie vermutet, dass der schlechte Zustand auf Bombenschäden aus dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist, als die Lagerstätte des Kleides auch als Luftschutzkeller diente.
Charlotte Holzer holte das Exponat 2017 zurück ins Deutsche Museum. Nachdem die Schäden klassifiziert und dokumentiert waren, ging es an die Reinigung. Mit feinen Pinseln und Spezialsauger (siehe Bild, Foto: Deutsches Museum) rückte sie in monatelanger, filigraner Feinstarbeit ganz vorsichtig dem Schmutz auf dem Gewebe zu Leibe. „Die Glasfasern sind bei Punktbelastung sehr brüchig und reagieren auch empfindlich auf Feuchtigkeit“, sagt Charlotte Holzer. Ein Bündel Fransen besteht dabei aus 100 bis 200 Filamenten, einzelnen Glassträngen. „Für die Herstellung wurde Glas über einer Flamme erhitzt und mit einem Rad zu einem feinen Faden gezogen.“ Diese Glasfäden wurden dann auf mechanischen Webstühlen häufig in Verbindung mit Seidenfäden weiterverarbeitet. „Für den Stoff für dieses Kleid hat man etwa 30 Stunden gebraucht“, sagt Holzer.
Dafür, dass das Glasfaserkleid jetzt wieder gezeigt werden kann, brauchte Charlotte Holzer allerdings um einiges länger: „Nach der Restaurierung habe ich mit Hilfe der Werkstätten hier im Deutschen Museum eine spezielle Unterkonstruktion entworfen, auf der das zerbrechliche Stück dauerhaft sicher gelagert und auch ausgestellt werden kann.“ Insgesamt hat die Forscherin und Restauratorin rund fünf Jahre an dem Projekt gearbeitet, bis die Sonderausstellung nun Wirklichkeit wurde. „Dabei war die Zusammenarbeit hier im Haus wirklich ganz fantastisch, dafür möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken“, sagt Charlotte Holzer. Und auch beim Transport in die eigens gebaute Vitrine halfen die Kollegen. Der Weg vom Labor im Keller zwischen Bibliothek und Forum bis in den ersten Stock im Ausstellungsgebäude war für Holzer noch mal eine kleine Zitterpartie: „Man weiß ja nie, wie so ein seltener, empfindlicher Stoff das verträgt!“
So exklusive Materialien waren auch immer ein Modestatement der Eliten. Und tatsächlich findet man auch heute noch Glasfasern in der Kleidung für den ganz besonderen Auftritt. Wie in der Robe, die Schauspielerin Claire Danes 2016 bei der Met Gala trug. Den „besonderen Auftritt“ im Deutschen Museum hat das Kleid der Infantin auch der Unterstützung des Freundes- und Förderkreises und der Leibniz Gemeinschaft zu verdanken. Die kleine Sonderausstellung „Dresscode Glasfaser“ zur spannenden Geschichte des Kleides, die auch ausführlich in der Deutsches Museum App und in einer Online-Präsentation beleuchtet wird, ist der Beitrag des Deutschen Museums zum Aktionsplan „Eine Welt in Bewegung“ der acht Leibniz Forschungsmuseen. „Das Kleid war ja auch ganz schön in Bewegung – von der Weltausstellung in Chicago über den königlichen Kleiderschrank in Paris ins Museumsdepot, dann ins Restaurierungslabor und jetzt in die maßgefertigte Vitrine“, sagt Charlotte Holzer. Die steht nun in der Abteilung Museumsgeschichte direkt neben den berühmten Magdeburger Halbkugeln.
Zur Restaurierungsgeschichte des Glasfaserkleids ist auch ein Buch erschienen. „Das Kleid aus Glas“, ein Band aus der Reihe Studies des Deutschen Museums, hat 316 Seiten und enthält ca. 150 Abbildungen. ISBN 978-3-948808-01-3, ISSN 2365-9149, 39,90 Euro im Deutsches Museum Verlag.
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Dem Rock ist jetzt die kleine Sonderausstellung "Dresscode Glasfaser" in der Abteilung Museumsgeschichte gewidmet.
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Foto: Deutsches Museum
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Infantin Eulalia im Glasfaserkleid.
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Foto: Luis Manuel de Villena Cabeza
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Charlotte Holzer reinigt die empfindlichen Fasern mit Pinsel und Spezialsauger.
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Foto: Deutsches Museum
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Das Kleid wurde 1893 in Chicago auf der Weltausstellung an einer lebensechten Puppe präsentiert.
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Foto: Corning Museum of Glass
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