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Erst die Anilinfarben ermöglichten ungefähr ab den 1860er–Jahren bunte Kleidung für die breite Bevölkerung.

Die Farbenherstellung basierte bis ins 19. Jahrhundert auf pflanzlichen Rohstoffen – vor allem Indigo und Krapp – sowie Mineralien. Tausende unterschiedlicher Farben wurden auf dieser Basis hergestellt. Durch die chemische Technologie sollte jedoch die Farbenproduktion im 19. Jahrhundert grundlegend verändert werden. William Henry Perkin (1838–1907) gelang es 1856, den ersten synthetischen Teerfarbstoff herzustellen. Damit verloren Indigo und Krapp schnell an Bedeutung.

Die Produktion von Teerfarben, ursprünglich als Anilinfarben bezeichnet, sollte schon bald eines der Hauptgeschäftsfelder der chemischen Industrie, vor allem in Deutschland, werden. Vorrangig die Textilindustrie fragte diese billig herzustellenden Farben nach. Damit war farbenprächtige Bekleidung nicht länger der Oberschicht vorbehalten. Der heute so selbstverständliche, jährliche Wechsel der Modefarben wurde erst mit den Teerfarben möglich. Die großen Unternehmen der chemischen Industrie Deutschlands haben ihre Anfänge in der Teerfarbenproduktion. So auch die 1865 von Friedrich Engelhorn (1821–1902) gegründete Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF). Dort war es vor allem Heinrich Caro (1834–1910), der die Forschung vorantrieb und eine Fülle synthetischer Farbstoffe auf Teerbasis entwickelte. Ebenso wie sein Nachlass und von ihm hergestellte Präparate fand auch die von Caro im Zuge seiner Forschungen aufgebaute Bibliothek ihren Weg ins Deutsche Museum.

Das 1900 von der BASF herausgegebene Farbmusterbuch „Die Anilinfarben der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik Ludwigshafen a. Rhein und ihre Anwendung auf Wolle, Baumwolle, Seide und sonstige Textilfasern“ behandelt sämtliche vom Unternehmen zu dieser Zeit angebotenen Teerfarben und geht auf ihre unterschiedlichen Eigenschaften beim Färben, Bedrucken und Beizen von Wolle, Baumwolle und Seide ein. Dazu finden sich rund 600 Farbmuster auf 20 Tafeln. Die BASF demonstrierte darin eindrücklich alle von ihr angebotenen Farben. Die Muster geben die Leuchtkraft der Farben bis heute unverändert wieder. Das Exemplar der Bibliothek des Deutschen Museums stammt aus dem Vorbesitz von August Clemm (1837–1910), dem ersten Technischen Direktor der BASF.

Für den Vertrieb der Farbenhersteller waren derartige Musterbücher die Basis, boten sie doch Textilherstellern die Möglichkeit, die Wirkung der angebotenen Farben einzuschätzen. Farbmusterbücher wurden deshalb in Auflagen von mehreren Tausend Exemplaren hergestellt. Doch wurden sie als Verbrauchsmaterial nur selten aufgehoben und finden sich deshalb nur in einer kleinen Zahl von Bibliotheken. Farbmusterbücher sind jedoch für Restauratoren und Wissenschaftler, die zu historischen Farbmitteln forschen, von großem Wert. Meist sind sie die einzigen Quellen für die Farbmittel einer Epoche.

Literatur:

Fuchs, Robert: Farbmusterbücher – Spiegel der Farbindustrie. In: Farbmetrik und Farbenlehre – Die Sammlung Friedrich Schmuck. Hrsg. von der Kulturstiftung der Länder, S. 38–48. Zum Katalogeintrag