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Die Bücher von Copernicus und Darwin haben die Vorstellungen über unsere Welt grundlegend verändert. Sie lösten Kontroversen aus, die über Jahrhunderte andauerten.

Während Copernicus’ heliozentrisches Modell heute als allgemein akzeptiert gelten kann, gibt es in der Gegenwart immer noch heftige Auseinandersetzungen um die Darwin'sche Evolutionstheorie. Erbitterter als jemals zuvor stehen sich deren Anhänger und die die Schöpfungsgeschichte der Bibel mehr oder weniger wörtlich auffassenden Kreationisten gegenüber.

Kopernikus und das heliozentrische Weltbild

Die Publikation seines epochalen Werks „De revolutionibus orbium coelestium“ hat Nicolaus Copernicus nicht mehr erlebt, es erschien wenige Monate nach seinem Tod im Jahr 1543. Über 30 Jahre hat der Domherr in Frauenburg im Ermland (heute Frombork, Polen) an diesem Buch gearbeitet, die Publikation hat er lange hinaus gezögert, da er die heftigen Auseinandersetzungen, die es auslösen sollte, voraussah. Schließlich wagte es Copernicus die Lehre der Bibel über die Stellung der Erde im Weltall ebenso umzustürzen wie die Lehren des antiken Astronomen Ptolemäus. Nicht länger sollte die Erde den Mittelpunkt des Weltalls bilden. Copernicus degradierte sie zu einem von mehreren, die Sonne umkreisenden Planeten. Diese neue, von Copernicus geschaffene Kosmologie löste viele Jahrhunderte dauernde Auseinandersetzungen aus.

Welche Kontroversen er auslösen würde, konnte Copernicus erahnen, da bereits die ihm von befreundeten Astronomen zugesandte Schrift „Commentariolus“ (um 1509) heftige Reaktionen hervorrief: Martin Luther nannte ihn 1539 in seinen „Tischreden“ einen Dummkopf, Melanchthon und Calvin sahen in ihm einen Gotteslästerer. Diese scharf ablehnenden Kommentare beschränkten sich anfangs auf die protestantischen Kirchen, später jedoch stieß das Buch auch in der römisch-katholischen Kirche zunehmend auf Ablehnung, und 1616 wurde die heliozentrische Lehre für „töricht und philosophisch absurd“ und „formal häretisch“ erklärt. Deren Anhänger wurden verfolgt und nicht wenige fanden dabei den Tod. „De revolutionibus orbium coelestium“ hatte genau die Auseinandersetzungen ausgelöst, die Copernicus zu seinen Lebzeiten so lange von der Publikation seiner Forschungsergebnisse abhielten.

Mit der Verurteilung seines Anhängers Galileo Galilei im Jahr 1633 kam Copernicus’ Werk auf den Index der von der römisch-katholischen Kirche verbotenen Bücher, erst 1992 sollte es zur Rehabilitierung des großens italienischen Naturwissenschaftlers kommen. Dies alles spiegelt die tiefe Verunsicherung wider, die das Werk des Copernicus auslöste. Dass die Bibelstelle „Gott begründet den Erdkreis unbeweglich…” (1. Chronik 16,30) nun nicht mehr wahr sein sollte, darüber haben Theologen und Naturwissenschaftler viele Jahrhunderte erbitterte Auseinandersetzungen geführt.

Darwin und die Evolutionstheorie

Mit Copernicus und Galilei begann, was sich in Darwin vollendete: die Naturwissenschaften fangen an, das Wissen der Bibel immer stärker in Frage zu stellen und geraten damit in eine grundsätzliche Opposition zur Theologie. Die von „De revolutionibus orbium coelestium“ ausgelösten Reaktionen sind in vielem mit denjenigen vergleichbar, die auf die Publikation von Charles Darwins Werk erfolgten. Wie Copernicus hat auch Darwin, der durch die Lektüre der Arbeiten Alexander von Humboldts (1769–1859) zu seinen Forschungen angeregt wurde, viele Jahre gezögert, bis er die auf seiner von 1831 bis 1836 durchgeführten Forschungsreise erkannten Prinzipien zu publizieren wagte. Ähnlich wie Copernicus schrieb er 1842 zuerst eine kürzere, 35-seitige Skizze seiner Evolutionstheorie. Mit der Publikation seines Buchs, an dem er ständig arbeitete, hat Darwin allerdings bis 1859 gewartet. Aus Furcht vor den zu erwartenden Auseinandersetzungen, vor allem aber um durch intensive Studien Detailfragen zu klären und weitere Argumente für seine Theorie zu sammeln. Eine von dem befreundeten Biologen Alfred Russel Wallace (1823–1913) verfasste, in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift erschienene Publikation zur Evolutionstheorie ließ Darwin um seinen Prioritätsanspruch fürchten und veranlasste ihn endlich zur Veröffentlichung. Mit dieser hat er letztlich die moderne Biologie begründet. 

Darwin verunsicherte, ja schockierte die Öffentlichkeit mit seiner Publikation in einer nur mit Copernicus vergleichbaren Weise. Den Menschen, der bis dahin als die Krönung der Schöpfung galt und in keinerlei Zusammenhang mit dem Tierreich gesehen wurde, ordnete Darwin in einen evolutorischen, durch Selektion gesteuerten Entwicklungsprozess ein. Geologen und Biologen beschäftigten sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert mit der Entwicklung der Oberflächengestalt der Erde und der Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Dass die Welt in sieben Tagen erschaffen worden sein soll, war für Gelehrte wie den Begründer der zoologischen Paläontologie Georges Cuvier (1769–1832), den Biologen und Begründer der Evolutionstheorie Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829) und den Geologen Charles Lyell (1797–1875) nicht mehr länger haltbar. Doch ließen sie den Menschen noch außerhalb ihrer Betrachtungen. Charles Darwin hat ihn in den vieljährigen Arbeiten an „On the Origin of Species“ allmählich in seine Überlegungen mit einbezogen. Mit seinem Werk verlor der Mensch seinen Sonderstatus gegenüber der Tierwelt. Der Gedanke, dass alle Lebensvorgänge naturwissenschaftlich begründet sind, hat sich seit Darwin durchgesetzt.

Stand seit Copernicus die Erde nicht mehr länger im Mittelpunkt der Welt, so hat Darwin den Menschen in einen viele Hunderte Millionen Jahre währenden Entwicklungsprozess eingeordnet. Wieder wurde das über Jahrtausende überlieferte abendländische Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert. Darwin entzauberte den Menschen als Krönung der Schöpfung und fügte ihm die nach Copernicus zweite Kränkung durch die Wissenschaft zu.

Größte Entrüstung rief im 19. Jahrhundert die von ihm postulierte enge Verwandtschaft des Menschen mit den Menschenaffen hervor. Es erschienen zahllose Karikaturen, die Darwin als Affen darstellten und seine Theorie so denunzieren wollten. Während sich die breite Öffentlichkeit mit der Akzeptanz seiner Theorie ausgesprochen schwer tat, hat sich die Darwin'sche Evolutionstheorie in der Wissenschaft in wenigen Jahren durchsetzen können und die Biologie von Grund auf verändert. Schon 1865 war sie Prüfungsgegenstand an der Universität Cambridge.

Während an der Kopernikanischen Lehre von Theologenseite noch zu Copernicus’ Lebzeiten heftige Kritik geäußert wurde, entwickelte sich die theologische Kontroverse um die Darwin'sche Evolutionstheorie nur langsam. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entbrannte der Streit zwischen den Anhängern der Evolutionstheorie und ihren religiös motivierten Kritikern. Vor allem in den USA mit ihrer Vielzahl von evangelikalen Freikirchen entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten eine Fundamentalopposition gegen Darwin und die modernen Naturwissenschaften.

Zur Publikationsgeschichte

Die 1543 erschienene erste Ausgabe von Copernicus’ „De revolutionibus orbium coelestium“ gehört noch der Frühdruckzeit an, entsprechend begrenzt war mit 500 die Zahl der gedruckten Exemplare. Die Verbreitung seiner Ideen benötigte deshalb wesentlich länger als bei Darwin. Dessen am 24. November 1859 im Verlag von John Murray in London publiziertes Buch erschien in einer Auflage von 1250 Exemplaren. Der reißende Absatz, den das Buch innerhalb kürzester Zeit fand, machte schon im Januar 1860 eine zweite Auflage in Höhe von 3000 Stück notwendig. Von dieser befindet sich ein Exemplar in der Bibliothek des Deutschen Museums. Bis zu Darwins Tod wurde sein Hauptwerk in insgesamt sechs englischen Auflagen publiziert.

Unter dem Titel „Charles Darwin, über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um's Daseyn” erschien bereits 1860 in Stuttgart eine erste deutsche Übersetzung. 1867 folgte eine deutlich verbesserte Version. Bald kamen Übersetzungen in andere europäische Sprachen, so 1862 die ins Französische, 1864 die ins Holländische, Italienische und Russische sowie schließlich 1869 ins Schwedische hinzu. Die rasche Verbreitung des Buches ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Darwin seine Thesen überzeugend und in einer allgemein verständlichen Weise formuliert hat. Darwin hat neben „On the Origin of Species“ mehr als 20 weitere Bücher und zahlreiche Publikationen in den verschiedensten Fachzeitschriften verfasst.

Ausstellung in der Bibliothek 2009

Die Bibliothek des Deutschen Museums zeigte Ende 2009 unter dem Titel „Ein Buch verändert die Welt – 150 Jahre „On the Origin of Species“ eine Sonderausstellung zu Charles Darwins berühmtem Buch. Neben seinen Publikationen waren unter anderem auch ausgewählte Werke seiner geistigen Väter Alexander von Humboldt und Charles Lyell ausgestellt.

Zum Nachlesen

 (jeweils Link zum Katalogeintrag hinterlegt):

Von den Originalwerken haben wir eine Vielzahl von Ausgaben, auch Digitalisate und entleihbare Reprints:

Der Artikel erschien zuerst in "Kultur+Technik", der Zeitschrift des Deutschen Museums, Heft 04/2009.